„Konrad Zuse“ Elektronenröhren in der Poststation


HAUNETAL

[2] "Die Region hat eine Chance verpasst", bedauert Bürgermeister Hein-Peter Möller (SPD). Wenigstens mit einer Gedenktafel möchte er jedoch an Konrad Zuse, den Vater des Computers, der im Ortsteil Neukirchen bereits vor sechs Jahrzehnten Computer produzierte, erinnern. Zuse Z22 Vor einigen Jahren wurde schon der Platz vor dem Rathaus in Konrad-Zuse-Platz umbenannt, alle zwei Jahre beherbergt die Mehrzweckhalle das "Zuseaner-Treffen", zu dem sich ehemalige Mitarbeiter der Zuse KG aus ganz Deutschland in der Kopfsteinpflaster-Fachwerkidylle einfinden und in Erinnerungen schwelgen. Konrad Zuse, der 1941 in Berlin die erste Computerfirma der Welt gegründet hatte, begann 1949 in dem hessischen Dorf Computer zu bauen. Die Zuse KG produzierte von 1949 bis 1969 251 Computer im Wert von 102 Millionen Mark, zunächst in Neukirchen, von 1957 an in Bad Hersfeld.

Der erste Firmensitz, eine ehemalige Postrelaisstation, sieht immer noch so aus wie auf alten Fotos, lediglich die Außentreppe ist erneuert worden. "Hier haben wir die schweren Computerteile hinaufgeschleppt", erzählt Dieter Ostermeier. Er und Victor Sabo, dessen Vater als Mitarbeiter Nummer 1 in der Buchhaltung der Zuse KG tätig war, können sich trotz des Chaos im Inneren des Gebäudes noch orientieren. Der Blick aus den trüben, mit Spinnweben verhangenen Fensterscheiben geht in den Innenhof. "Hier hat bei Betriebsfesten die Blaskapelle gespielt", erinnert sich Sabo, der damals noch ein kleiner Junge war. Außerdem begegneten sich die Zuseaner auch in ihrer Freizeit im Schachclub oder im Fotoclub der Zuse AG. Sie seien wie eine große Familie gewesen, schwärmen die beiden Zuseaner, die sich Konrad Zuse Z22 gerne an ihren ehemaligen Chef erinnern. Wo sich heute Umzugskartons, allerlei Gerümpel und alte Möbel türmen, befanden sich in den Nachkriegsjahren die Büros der Laborleiter, an den großen Fenstern hatten die technischen Zeichner ihre Arbeitsplätze. Im nächsten Raum wurde die Z 22, der erste Röhrenrechner, entwickelt und aufgebaut. Im Untergeschoss und in angrenzenden Gebäuden des bäuerlichen Anwesens waren Schreinerei und Schlosserei untergebracht, ein paar Straßen weiter im großen Saal einer ehemaligen Dorfwirtschaft die Elektrowerkstatt. Konrad Zuse hatte sein Büro im Vorderhaus, ganz oben unter dem Dach.1

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Der Anfang 1934

Der Bauingenieur Konrad Zuse entschloss sich 1934, Computer zu konstruieren. "Ich war zu faul zum Rechnen", bekannte der fünffache Vater und Computerpionier, Konrad Zuse Z1 der 1995 im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Er hatte die Vision, Ingenieuren das stupide Rechnen durch vollautomatische Maschinen abzunehmen. Mit Zuses erster Maschine, der Z1, die er von 1936 bis 1938 im elterlichen Wohnzimmer angefertigt hatte, war es bereits möglich, einige einfache programmgesteuerte Rechenoperationen durchzuführen. Sie bestand aus Tausenden von zusammengesetzten Blechen, die Zuse und zahlreiche Freunde mit der Laubsäge ausgeschnitten hatten. Nach der Z1 konstruierte der Erfinder das Versuchsmodell Z2, mit der er die Relaistechnik aus dem Fernmeldewesen testete.

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Das Rechenwunder Z3 1941

Konrad Zuse Z3 Die Z 3, die er 1941 fertiggestellt hatte, gilt als Prototyp des modernen Computers. Das Rechenwunder bestand aus 2500 Telefonrelais, 30.000 Kabeln und addierte, substrahierte, dividierte, multiplizierte und zog Quadratwurzeln. Sie wog eine Tonne und sah aus wie eine Schrankwand. Die Z1, Z2 und Z3 wurden 1943 bei einem Bombenangriff auf Berlin zerstört, während die Z4, eine Erweiterung der Z3, als Einzige gerettet werden konnte.

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Die Flucht ins Allgäu 1946

Konrad Zuse floh mit Ehefrau Gisela, einigen Mitarbeitern und der Z4 auf einem Militärlastwagen aus Berlin ins Allgäu, wo er 1946 in Hopferau in einem ehemaligen Konrad Zuse Z4 Mehllager das Zuse-Ingenieurbüro gründete. Dort wurden Mitarbeiter der ETH (Eidgenössische - Technische Hochschule) in Zürich, die sich zuvor in den Vereinigten Staaten nach einem geeigneten Computer umgesehen hatten, auf die Z4 aufmerksam. Nachdem sie Rechenaufgaben zur Zufriedenheit der Schweizer gelöst hatte, mietete die Hochschule die Z4. Sie war der erste Computer der Welt, der für praktische Anwendungen ausgeliefert wurde. Von den 40.000 Schweizer Franken Miete gründete Zuse seine Firma in Neukirchen, wo die Z4 zunächst gründlich überholt wurde.

Weder im Allgäu noch in Hessen konnten die Menschen, vom Bauern bis zum Banker, etwas mit Zuses Maschinen anfangen. "Wir rechnen das im Kopf", sagten die Leute, erinnert sich Victor Sabo lächelnd. Auch hochrangige Politiker hätten das nicht verstanden und gefördert. "Deutschland hatte andere Sorgen, mein Vater wurde als Spinner eingestuft und hatte immer Probleme mit den Banken", erzählt Horst Zuse, Professor für Informatik. Es gab keine Kredite und keinen Platz für die Fertigung von riesengroßen, rätselhaften, klappernden Rechenungetümen. Als die Firma Leitz die Z5 bestellte, habe sie gleich den Kaufpreis von 300.000 Mark bezahlt, damit die Maschine überhaupt gebaut werden konnte, so Horst Zuse.

Konrad Zuse Z5 "Mein Vater wäre gerne in Neukirchen geblieben", sagt er. Sogar eine Zuse-Siedlung sollte dort für die Mitarbeiter entstehen. Mitte der fünfziger Jahre arbeiteten rund 100 Menschen in Neukirchen für die Zuse KG. Der Wunsch Zuses, in Neukirchen oder im benachbarten Hünfeld zu bauen, sei am Widerstand von Wella gescheitert, erzählen die Zuseaner. "Zuse hat gut bezahlt und viele Leute gebraucht", sagt Sabo. Schuster, Schreiner, Schneider, Friseure oder auch Instrumentenbauer fanden in Neukirchen einen neuen Arbeitsplatz als Schaltmechaniker. Sie lernten unter anderem, wie man Drähte nach Schaltplänen an die Relais anlötete.

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Umzug nach Bad Hersfeld 1956

Dieter Ostermeier wurde 1956 zunächst als Fernmeldemonteur ausgebildet, "weil ich viel mit Relais zu tun hatte", Blick aus der Werkshalle und in der Berufsschule landete er bei den "Starkströmlern". Es habe kein Berufsbild existiert. "Das Wort Elektronik gab es noch nicht." Mit dem Umzug nach Bad Hersfeld 1957 begann auch die Umstellung von Relaisrechnern auf Elektronenrechner, die etwa tausendmal schneller arbeiteten. Mit dem Röhrenrechner Z 22 der mit 200.000 Mark deutlich günstiger war als der amerikanische IBM-Konkurrent, der weit mehr als eine Million Mark kostete, zog die EDV an den deutschen Hochschulen ein. Die Zuse KG konnte sich jedoch langfristig nicht gegen die Konkurrenz behaupten.

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Siemens Übernahme 1967

Siemens übernahm den Hersfelder Betrieb, Konrad Zuse schied 1967 aus der Firma aus, und 1971 wurde der Firmenname Zuse KG gelöscht.

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Nachspann

"Die Pleite war für ihn ein großer Imageverlust", erinnert sich sein Sohn. Aus Konrad Zuse wurde danach der Künstler Kuno See, Konrad Zuse als Maler der Kathedralen und Wolkenkratzer malte und viele Computerpioniere, darunter Bill Gates, porträtierte. Der Amerikaner wollte Konrad Zuse kennen-lernen, und 1995, nur wenige Monate vor dessen Tod, trafen sich die beiden auf der Cebit. Es sei ein schönes Gespräch gewesen, so Horst Zuse. "Mein Vater erklärte Gates, dass er nie gedacht hätte, dass man mit Software Geld verdienen kann". Im nächsten Jahr wird Zuses 100. Geburtstag gefeiert. Bundesweit soll der Mann, dem acht Ehrendoktortitel verliehen wurden, der 1200 Arbeitsplätze geschaffen hat, nach dem 80 Straßen, drei Schulen, zwei Museen und ein Hotel benannt sind, geehrt werden.

Z11 in Paderborn Der Nachbau der Z3 ist im Konrad-Zuse-Museum in Hünfeld zu besichtigen. Das Museum am Kirchplatz 4-6 ist dienstags, mittwochs, freitags, samstags und sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

Im April 2013 habe ich das Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn besucht und konnte die Z11 von Konrad Zuse im Orginal bewundern.

[2] Artikel der (c) F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main Februar 2009
Das Kinderzimmer der deutschen Computertechnik stand in Haunetal: Dort baute Konrad Zuse nach dem Zweiten Weltkrieg seine Elektronenrechner.
Von Barbara Hofmann



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