Der Einzug in das Computerzeitalter
Einleitung
Der Einzug in das Computerzeitalter beschreibt die Anfänge der Automatisierten Rechenmaschinen bis zur Komplexen Datenverarbeitung
im 21. Jahrhundert. Im Fokus steht die Deutsche Computergeschichte mit den Anfängen von "Konrad Zuse", der Einstieg von "Siemens" in
die Datenverarbeitung und nicht zu vergessen "Heinz Nixdorf", der ab den 50 Jahren die Datenverarbeitung in Deutschland revolutionierte.
In den nachfolgenden Kapiteln wird diese aus Sicht von F10479 versucht zu dokumentieren und anhand diverser Publikationen eine chronologische
Zusammenfassung zu erstellen.
[1]
Im Jahr 1943 schätzte Thomas J. Watson, der Vorsitzender von IBM, den Bedarf an Computern weltweit wie folgt ein:
Doch schon bald gingen die Aufgabenbereiche der „Computer“ über militärische Zwecke, für die sie zunächst eingesetzt wurden, hinaus.
So wurden die Maschinen auch für wissenschaftliche und kommerzielle Anwendungen interessant. 1951 brachten die Erbauer der ENIAC die UNIVAC 1 heraus.
1954 zeigten die Briten mit dem LEO, dass Computer bei der Automatisierung von Büroarbeit von praktischem Nutzen waren. In Deutschland wurde etwa zur
gleichen Zeit der Relaisrechner Z5 fertig gestellt.
Gegen Ende der 50er Jahre waren weltweit ca. 8000 Computersysteme installiert.
Bis zum Ende der 60er Jahre blieb der Computer aber eine Maschine für Spezialisten. Sollte Watson mit seiner Aussage tatsächlich Recht behalten?
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Die Entwicklung in Deutschland
Öffentliche Forschungseinrichtungen
Vor dem 2. Weltkrieg und in den ersten Jahren nach seinem Ausbruch war Deutschland mit führend auf dem Gebiet der Rechenautomaten und Computer.
Maßgeblich hierfür war zum einen der hohe technologische Stand in den Bereichen Nachrichten-, Übertragungs- und Informationstechnik.
Als Beispiel sei die erstmalige Fernseh-Übertragung olympischer Spiele in Berlin 1938 erwähnt.
Zum anderen waren es z. B. Zuse und Schreyer,
deren bahnbrechenden Arbeiten zur Entwicklung des weltweit ersten frei programmierbaren Rechners führten (s. Zuse).
Aber auch im Bereich der theoretischen Grundlagen gab es eine Reihe von Aktivitäten. So bestand z. B. ein enger Kontakt zwischen A. Turing und
Prof. Dr. Scholz vom Institut für Mathematische Logik und Grundlagenforschung an der Universität Münster. Im Jahre 1937 veröffentlichte Turing
eine Publikation mit dem Titel „On Computational Numbers“. In seinen Memoiren schreibt er, daß er über die Reaktion auf diese Arbeit sehr enttäuscht war.
Lediglich zwei Personen hätten hierauf reagiert. Bei diesen Personen handelte es sich um Richard Braithwaite and Heinrich Scholz.
Scholz bat Turing in einem Brief, ihm auch in Zukunft sämtliche Arbeiten in doppelter Ausführung zuzusenden. Es war für ihn damals bereits schwer,
die benötigten wissenschaftlichen Kontakte mit dem Ausland zu pflegen. Diese Aktivitäten von Scholz wurden von seinen Nachfolgen
Prof. Hermes und Prof. Rödding fortgesetzt. Sie wurden hierbei durch Dr. Ackermann („Ackermann-Funktion“) unterstützt, der in Steinfurt als Gymnasial-Lehrer tätig war.
Durch die jahrelange Absperrung der Forschung vom Ausland und deren einseitige Ausrichtung auf militärische Belange im Dritten Reich ging dieser hohe
technologische Stand jedoch verloren. Die Preisgabe aller Patente und die wirtschaftlich schlechte Lage nach dem Ende des Krieges wirkten sich zusätzlich
negativ aus. Der Anschluss an die Weltforschung war weitgehend verloren gegangen.
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Mit staatlicher Unterstützung wurde zunächst die selbstverwaltete „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ gegründet. Sei sollte die Schnittstelle
zwischen Staat und Wissenschaft bilden und durch gezielte finanzielle Hilfe die wissenschaftliche Entwicklung in Deutschland wieder ankurbeln.
Im Jahre 1951 nannte sie sich in „Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) um, unter dessen Namen sie bis heute besteht.
Bereits Ende 1949 wurde von der Notgemeinschaft erstmals ein Betrag von 100.000 DM zur Verfügung gestellt,
mit dem in München ein Arbeitsteam für Rechnerwissenschaften aufgebaut wurde. Nach Aussagen von damals beteiligten sollen weitere Mittel von Forschungsstätten
in Göttingen und Darmstadt geflossen sein. Hierfür ist jedoch keine offizielle Bestätigung zu erhalten.
Neben diesen Stätten zählten zu den ersten Forschungsstätten in Westdeutschland die TH Aachen, die TU Berlin sowie Institute in Hannover, Tübingen und Stuttgart.
In Bonn wird 1954 das Institut für instrumentelle Mathematik (IIM) gegründet. Es ist die erste außeruniversitäre Forschungseinrichtung,
die sich mit Grundlagen und Anwendungen der Rechnertechnik beschäftigte. Aus dem IIM entstand die Gesellschaft für Mathematik (GMD) im Rahmen des ersten
Bundesförderprogramms für die Datenverarbeitung. Sie wird am 23. April 1968 als Forschungseinrichtung in Form einer GmbH gegründet.
Gesellschafter sind der Bund mit 90% und das Land NRW mit 10%.
An der TU Berlin hatte zuvor schon 1957 F. R. Güntsch eine Vorlesung mit dem Titel „Programmierung digitaler Rechenanlagen“ gehalten.
Im Jahre 1967 hielt Prof. W. Brauer an der Universität Bonn eine Vorlesung zu dem Thema „Algorithmen und formale Sprachen“.
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Entwicklungen in Göttingen
In Göttingen wurde bereits 1907 die Aerodynamische Versuchsanstalt (AVA) gegründet. Im Mai 1946 wurde in einer Besprechung von Mitgliedern der britischen
Forschungsabteilung (Research Branch) mit der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft die Einrichtung eines „Instituts für Instrumentenkunde“ beschlossen.
Im September 1946 erfolgte dann die Gründung der „britischen“ Max-Planck-Gesellschaft. Die Briten wollten damit einerseits die Abwanderung der fähigsten
deutschen Wissenschaftler aus ihrer Zone verhindern und andererseits eine möglichst effektive Forschungsüberwachung ermöglichen. Die Amerikaner stehen
dagegen in ihrer Zone einer Reorganisation der deutschen Wissenschaftszone zunächst ablehnend gegenüber.
Der erste Erfolg dieses Neuanfangs war die Erfindung des Trommelspeichers durch Dr. Heinz Billig im Jahre 1947. Im gleichen Jahr beginnen die ersten
Planungen zum Bau einer elektronischen Rechenanlage, der G1.
Vorangetrieben und gefördert wurden die arbeiten vor allem durch Prof. Dr. Ludwig Biermann, Leiter der astrophysikalischen Abteilung am Max-Planck-Institut
für Physik, und Prof. Heisenberg, dem Direktor dieses Max-Planck-Instituts. Billig, der inzwischen in Sydney arbeitete, unterstützte von dort die Entwicklungsarbeiten.
Die G1 war 1949 fertiggestellt und damit die erste in Deutschland konstruierte elektronische Rechenanlage. Verbesserte Nachbauten dieses Prototyps,
die sogenannten G1a, werden später an verschiedenen Instituten eingesetzt. Weitere Entwicklungen sind die G2 (1950 Entwicklungsbeginn, 1954 in Betrieb)
und die G3, die 1960 ihren Betrieb am neu gegründeten MPI für Physik und Astrophysik in München aufnimmt.
Die Göttinger Entwicklung G1 und deren Nachfolgemodell G1a haben anderen Instituten erst die Einrichtung eigener Rechenzentren ermöglicht.
Die Zuse KG beschäftigt sich zu dieser Zeit noch hauptsächlich mit Relaisrechnern und 1957 kann hier mit der Produktion von elektronischen
Rechnern begonnen werden, u. a. nachdem die Göttinger Unterlagen des Nachfolgemodells G1 zur Verfügung stehen.
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Entwicklung in Darmstadt
In Darmstadt befand sich der Sitz des „Instituts für Praktische Mathematik (IPM)“. Die Gebäude dieses Instituts wurden 1944 bei einem Bombenangriff total zerstört.
Im IPM, welches seit 1928 durch Prof. Dr. Alwin Walther aufgebaut worden war, hatte man sich bereits vor und während des Krieges mit der Entwicklung von
Rechenmaschinen beschäftigt. Direkt nach dem Krieg gab es persönliche Kontakte zwischen Walther und Howard M. Aiken, dem Entwickler der „MARK I“.
Durch diese Kontakte animiert, wurde 1948 die Entwicklung des „Darmstädter Elektronischer Rechenautomat (DERA)“ aufgenommen. Die Arbeiten gingen
jedoch nur schleppend voran und wurden 1959 offiziell eingestellt.
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Entwicklung in München
Im November 1950 wird am Institut für elektrische Nachrichtentechnik der TH München unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Piloty der Entschluß gefaßt die
„Programmgesteuerte Elektronische Rechenanlage München (PERM)“ zu entwickeln.
Zuvor konnte Pilotys Sohn Robert Piloty vom Mai bis zum Oktober 1948 eine Summerschool am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston IMA besuchen
und dort die noch in Entwicklung befindliche elektronische Großrechenanlage „Whirlwind“ kennenlernen. Dr. Hermann L. Jordan, ein Assistent von
Prof. Dr. Sauer von der TU München konnte auf Grund eines Stipendiums an der Universität in Berkley Unterlagen über die Konstruktion der
„Whirlwind“ mitbringen. Diese Unterlagen bildeten die Arbeitsgrundlage für die Entwicklung der PERM.
Ab 1951 kommt es zu einer engen Zusammenarbeit mit dem mathematischen Institut der TH München unter der Leitung von Prof. Dr. Sauer. Dieser beschäftigt sich
vor allem mit der Untersuchung von Programmiertechniken und übernimmt wesentliche Programmierarbeiten. Seine Mitarbeiter F. L. Bauer und Samelson setzten diese
Arbeiten später als Professor an der TU München fort. Als Auftakt zur Zusammenarbeit zwischen den beiden Instituten fand 1951 ein gemeinsames Seminar statt,
das nicht öffentlich war und sogar als „Geheimseminar“ bezeichnet wurde. In diesem Seminar wurde Abschnitt für Abschnitt ein von Robert Piloty besorgter Bericht
von John von Neumann durchgenommen.
Am 7. Mai 1956 fand die feierliche Einweihung der PERM statt. Als Großrechenanlage speziell für wissenschaftliche Probleme ausgelegt, bildete sie nach ihrer
Fertigstellung den Grundstock eines Rechenzentrums an der TU München. Nach ihrem aktiven Dienst ließ sie Prof. Bauer in seinem Arbeitszimmer hinter seinem
Schreibtisch aufbauen. Am 7. Juli 1987 wurde die PERM im Deutschen Museum installiert, wo sie noch heute steht.
[1] Auszug aus der Veröffenlichung der Uni Münster 2010
"Die Geschichte der Rechenautomaten von der Antike bis zur Neuzeit"
Von Professor Wolfram Lippe
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